Irrfahrten oder das Entdecken fremder Landstriche

Irrfahrten oder das Entdecken fremder Landstriche

Ein weiteres surfen auf ISTANBUL`s Verkehrswellen ersparen wir uns. Diesmal wählen wir die Mitfahrgelegenheit auf einem Schiff,das uns über den Bosporus und ein Stück weiter bis ans Ende der City bringt.

Wieder an Land- nun auf asiatischem Boden, er erhebt sich mächtig steil vom Ufer, müssen wir kräftig in die Pedalen steigen. Es kostet Überwindung,der Versuchung nicht zu erliegen, die da aus deutschem Touristenmunde ruft: ,, Wollt’s ihr net zu Fuß gehe ?“

Unter Beobachtung zahlreicher Ausflügler packt uns der Ehrgeiz, der Sportsgeist oder wie auch immer man diesen inneren Antreiber nennen mag, der einen voran peitscht, bis man nahe einer Ohnmacht, Speichel kauend, den Luftstrom aus den Lungenflügeln stoßend, gierig neu nach Sauerstoff schnappend, die letzten Kraftreserven mobilisiert.

Endlich, auf dem ersten Hügel angekommen, sehen wir einen grünen Küstenstreifen vor uns.Schmal und kaum befahren,gesäumt von Bäumen schlängelt sich das graue Band der Asphaltstraße dahin. Wir sind guter Dinge, denn ab heute radeln wir zu dritt und der Spaßfaktor erlebt eine Steigerung.
Über das Internet standen wir schon längere Zeit mit Wolfgang in Kontakt und trafen uns letztendlich in Istanbul. Nun schauen wir mal, wie lang unser Trio den Pedalrhythmus gemeinsam zu einer Melodie werden lassen kann.

Für heute ist der Küstenort SILA das Ziel.
Am Nachmittag finden wir einen kleinen Laden, in dem wir die Wasservorräte auffüllen und das Knurren der Bäuche durch Nahrungsaufnahme beseitigen. Gleich nebenan, in der schattigen Toreinfahrt lassen wir uns nieder um das soeben Erworbene in uns hinein zu stopfen. Es dauert nicht lang, gesellt sich ein Fremder zu uns und schenkt Schokoladenkuchen. Kurz drauf bringt der Ladeninhaber eine weitere Leckerei und Tee. Nebenbei erfahren wir von ihm, dass unsere angepeilte Fahrtrichtung uns direkt nach Istanbul zurück bringt.
,,Oh, nö!“
Wir fahren die ganze Zeit kreuz und quer, hin und her und doch irgendwie im Kreis. Unsere Karten stimmen nicht mit den vorgefundenen Straßen überein. Selbst die anschließende Recherche im Netz bringt kein zufriedenstellendes Ergebnis. Was wir sehen gibt es nicht und was wir nicht sehen ist vorhanden. Wir fahren auf einer neuen Straße, die seit mindestens drei Jahren nicht mehr neu ist und nirgendwo aufgezeichnet. Wir lassen uns vom Einheimischen den Weg weisen. Vorbei geht’s an Wäldern in denen dutzende Hunde herumlungern und weiter an einem Schießplatz, bei dem irgendwelche undefinierbaren Dinge das Laub von den Bäumen rieseln lassen. Vielleicht könnte man sie auch als Kügelchen bezeichnen? Wir geben Gummi und denken über einen geeigneteren Schlafplatz nach. Einige Kilometer später erkennen wir einladende, sogenannte Picknickplätze neben der Straße. Wir fragen nach einem Stellplatz für die Zelte. Der erste Besitzer gibt zu verstehen, dass der Ort nicht zum Campen hergerichtet ist, der zweite verlangt eine utopische Geldsumme und mit dem dritten werden wir handelseinig.
Sind wir zufrieden? Ja! Es ist nicht leicht, fast unmöglich beim Verhandeln mit einem Türken das bessere Geschäft zu machen. Es genügt nicht, allein die Spielregeln zu kennen. Man braucht Verstand und Psyche eines Pokerers. Soviel konnten wir in Istanbul dazulernen.

Sila ist noch weit weg!

Ergänzend möchte ich hinzufügen: Gegen Mittag, des folgenden Tages erreichen wir Sila und man erzählt uns,dass der Campingplatz einem Hotelneubau weichen musste. Zum Glück brauchen wir ihn heute auch nicht. Wir ziehen weiter und finden am Abend unseren Platz in der ,,Wildnis“.

Sechzig Kilometer vor ANKARA:
Mondlandschaft hinter goldgelben Getreidefeldern. Wie ein Fließ, gewebt aus Seide in warmen harmonischen Ockerfarben liegen sie neben der Straße. Dann, wie Ausgespucktes auf sandigem Boden taucht ein See auf. An seinen Ufern gedeihen Bäume und durch die wenigen Häuser und Vögel wirkt das Ganze nicht zu einsam. Es ist 42 Grad Celsius heiß.
Trockener Staub legt sich auf verschwitze Haut und Kleidung. Alles schreit nach einer reinigenden Dusche…. und diese haben wir im doppelten Sinn in Ankara bekommen.

Der Himmel öffnet seine Schleusen um seinen Beitrag zu leisten.. Er schickt Hagel, Blitz und Donner. Autos versinken bis zu ihren Radachsen im anschwellenden Wasser. Die Leute sind in Bushaltestellen geflüchtet. Auf den Sitzbänken stehend warten sie auf ein Ende

Feucht, eingeweicht suchen wir nach einem Hotel.
Auf der Straße laufen ungewöhnlich viele, aufgeregte Leute herum. Müllautos sind am Fahrbahnrand abgestellt, daneben Wasserwerfer und andere Einsatzfahrzeuge der Polizei. Eine Kette Uniformierter versperrt den Weg. Laut sind die Parolen, gebrüllt aus zahlreichen Kehlen, zu hören. Die Menge kommt näher. Man spürt die Emotionen, die Energie der Masse. Meine Nackenhaare stellen sich auf. Wir treten den Rückzug an.

In der Nähe des Busbahnhofs sehe ich ein Hotel. Es macht den Eindruck einer gealterten Hure. Kurz- es ist eine Absteige. Sie ist billig. Als wir die Fahrräder sicher unterstellen möchten, führt man uns ums Haus herum und erzählt was von einem Autoparkplatz. Das gefällt uns gar nicht ! Wir bleiben stehen und werfen nun einen genaueren Blick auf das Viertel. Aufgerissene Müllsäcke liegen zerstreut auf verwahrlosten Gehwegen. Das die Häuser ihre glanzvollen Zeiten längst hinter sich haben, stört nicht weiter. Wir wollen ja nicht für immer bleiben. Aber dann tauchen zugedröhnte, schwankende Typen auf. Mit verdrehten Augen gesellen sie sich zu uns. Bevor sie ihre Sorgen oder Wünsche auf uns abladen können, machen wir uns endgültig aus dem Staub.
Wir überqueren eine Straße und befinden uns wieder im abgeriegelten Stadtteil.
Wartend stehen wir im Stau und halten gleichzeitig Ausschau nach einer Unterkunft. Nicht lange und ein Passant spricht uns an. Schnell ist die Situation erklärt und er bittet uns zu folgen. Wir ,,hängen“ uns an sein Auto ran, dann parkt er am Fahrbahnrand und führt uns zu Fuß weiter bis in ein hübsches Hotel wo wir die zweite Dusche, diesmal heiß, genussvoll und freiwillig, über uns rauschen lassen.

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