Nepal – Es gibt nicht nur Berge

Nepal – Es gibt nicht nur Berge

Im Dschungel

Es ist Zeit, das Indienvisa zu beantragen. Wir müssen wieder nach Kathmandu. Auf dem Weg dorthin, machen wir einen Abstecher nach Chitwan, in den Dschungel.
Wie immer ist mir unwohl im Bus, aber nicht vom harten Bremsen und Gas geben, sondern die Feststellung, wie leichtsinnig der ,,King of Bus“ mit unserem Leben umspringt. Nicht jeder wird im Nächsten als reicher Mann wiedergeboren. Wenn man überhaupt wiedergeboren wird. Ich hänge an dem meinen und gerate darüber ins grübeln, dass es jemand anderes beenden könnte. Mewes tut mir keinen Gefallen damit, wenn er von seinem Fensterplatz aus auf abgestürzte oder in eine Böschung gerammte Fahrzeuge hinweist. Der ein oder andere Mitreisende vergisst sein Dilemma, indem er Berge von Chips in sich hineinstopft. Kauen hat eine beruhigende Wirkung.
Am Zielort angekommen, werden wir von zahlreichen Männern umringt, die mit bunten Prospekten vor unseren Nasen wedeln. Sie buhlen um Aufmerksamkeit. Es sind Fänger, die versuchen ihre Hotels möglichst gut auszulasten. Ich wimmele sie schnell ab, indem ich auf Mewes deute und sage: ,,Er hat das Geld.“
Es braucht seine Zeit, bis unser Mann mit dem passenden Angebot gefunden ist. Dann fahren wir mit einem Geländewagen zum Resort.
Um einen Garten reihen sich kleine Bungalows. In der Mitte stehen Gras bedeckte Pavillons. Wie immer passen Tische und Stühle nicht zueinander. Das ist weniger eine Sache des Stils, viel mehr eine Sache der Disharmonie. Entweder passt der Stuhl zum Po und der Beinlänge und der Tisch ist sehr niedrig, so das man immer eine kauernde Position inne hat oder man sitzt weit unterhalb der Tischkante und kann nur knapp über diese hinweg sehen. Die Stühle hier ähneln Liegestühlen, nur dass man in ihnen nicht wirklich liegen kann, geschweige denn sitzen. Außerdem lauern in den Sitzpolstern kleine Tiere, die ganz verrückt nach meinem Blut sind. Sie machen sich sofort über beide Pobacken her. Es ist mir kaum möglich alle roten, juckenden Quaddeln zu zählen. Es ist ein enormer Akt der Selbstbeherrschung, nicht ständig wie ein Hund an diesen zu kratzen.
In unserem Zimmer treffen in den Nachtstunden die nächsten Blutsauger ein. Sorgfältig untersuchen wir die Moskitonetze bevor wir uns zum schlafen legen. Dennoch finden zwei der Biester einen Zugang. Es braucht eine Stunde der Jagt.

Früh starten wir in den Tag. Heute ist eine Dschungelsafari angesagt. Zwei Touristenführer werden uns begleiten. Bevor wir in den Busch marschieren dürfen, brauchen wir die Genehmigung der Parkverwaltung. Warum man diese erst jetzt besorgen kann, ist mir ein Rätsel. Alle, die an diesem Morgen Ähnliches geplant haben, stehen nun für dieses Permit an. Die Zeit läuft und ich denke an die heimischen Wälder und daran, das das Wild eher in der Dämmerung an den Fressplätzen zu finden ist. Während des Wartens berichtet der ältere Führer von einem Tiger der sehr hungrig ins Dorf kam um eine Kuh zu erlegen. Die heldenhaften Elefantenreiter haben ihn jedoch vertreiben können. Das blieb nicht ganz ohne Biss – und Kratzwunden aus. Der Tiger war in arger Bedrängnis und wusste sich zu verteidigen. Letztendlich waren die Elefanten die stärkeren.
Und mit dieser Geschichte im Hinterkopf steigen wir in ein Boot, das aus einem einzigen Baumstamm gehauen wurde. Das Abenteuer kann beginnen. Am Ufer sehen wir die verschiedensten Vogelarten. Große, kleine, schillernd bunte, schwarze und weiße. Sie alle sind auf Nahrungssuche. Dann entdecken wir ein Krokodil, dass ganz still auf einer Sandbank liegt. Mit den vielen Wasserblumen herum gibt es ein trügerisch, friedliches Bild ab. Ein richtiges Postkartenmotiv. Nur die entblößten Zähne erinnern an einen Jäger.
In einer Flussbiegung steigen wir aus. Deutlich sind Fußabdrücke der nächtlichen Besucher zu sehen. Hoffnungsvoll nehmen wir die Verfolgung auf. Bevor es jedoch ins hohe Elefantengras geht, gibt der Alte letzte Instruktionen:
Der Wald beheimatet viele Tiere, weiß er, die einen gelten als harmlos,solche sind Rehe, Wildschweine, Hühner oder Affen, andere wie Bären, Elefanten, Nashörner und Tiger können echte Probleme verursachen. Es gibt verschiedene Arten der Flucht. Kann man einen Baum erklettern, sollte man mindestens drei Meter an Höhe erreichen. Zu bedenken wäre allerdings, das Bären und Tiger ebenso gute Kletterer sind. Wird man von einem Nashorn verfolgt und man findet einen sehr dicken Baum, stellt man sich hinter diesen und achtet darauf, dass dieser immer zwischen Mensch und Tier bleibt. Ist weit und breit kein Baum, dann rennt man zick – zack durch das hohe Gras und hofft darauf, das das Rino die Spur verliert. Sind keine Bäume oder eine andere Deckung zu erreichen, dann gibt es die Führer mit ihrer beeindruckenden Bewaffnung – Bambusknüppel! Sind sie noch an der Seite ihrer Klienten, werden sie todesmutig mit ihren Stöcken zuschlagen. Was haben wir gelernt? Schärfe deinen Blick, damit du deinen Verfolger identifizieren kannst. Hast du ihn erkannt, wirst du dir sicher in die Hosen scheißen. Dann kannst du wiederum darauf hoffen, dass das ,,Ungeheuer“ sich angeekelt abwendet. Aber, du hast es einmal Gesehen.
Vor uns im Sand sind Spuren von Elefanten und Nashörnern. Ein Führer greift nach einem feuchten Grasbüschel,schnüffelt daran und erklärt: ,, Das ist Rinopisse. Sie gilt als sehr heilend bei Bauchbeschwerden, weil die Nashörner so viele gute Kräuter futtern.“ Ich rieche ebenso daran und befinde, dass ich sehr gesund bin. Langsam schleichen wir weiter. Plötzlich erstarren alle. Da war Getrappel zu hören. Sehr schnelle, stampfende Geräusche, die zu einem Nashorn gehören. Spannung liegt in der Luft. Es ist nichts zu sehen, der dichte Pflanzenwuchs beschränkt die Sicht auf wenige Meter. Das Trappeln entfernt sich. Wir nehmen die Verfolgung auf… aber es bleibt unsichtbar.
Auf dem Boden sind weitere Fährten zu sehen. Sie sehen frisch aus, der Kenner erklärt, dass sie vom Treiben der vergangenen Nacht stammen. Er weist auf Fußabdrücke von einem Tiger und auf Kratz – und Fressspuren eines Bären. Immer wieder geht er zu einem Gewässer, das neben dem Tierpfad fließt. Erneut stoßen wir auf Hinweise, die die Anwesenheit eines Nashorns verraten. Da türmen sich riesige Haufen mit melonengroßen Kotbällen am Wegesrand. Doch sie sind alle nicht frisch genug, um den Dickhäuter gleich hinter dem nächsten Busch zu finden. Normalerweise sollen sie zu dieser Tageszeit, der aufkommenden Hitze entfliehend, im kühlen Wasser ein Bad nehmen. Aber wir sind wohl zu spät.Wir treten den Rückweg an.

Am folgenden Tag reiten wir auf dem Rücken eines Elefanten erneut in den Dschungel. Mit im Sattel sitzen zwei spanisch sprechende Mädels. Laut unterhalten sie sich darüber, dass sie heute unbedingt ein Nashorn sehen müssen. Nachdem es gestern nicht geklappt hat. Wir denken: ,,Bei der Lautstärke eurer Unterhaltung wird das heute wieder nichts.“ doch bald fordert der Wald auch ihre gesamte Aufmerksamkeit und sie schweigen.
Unser Dickhäuter durchwatet einen Fluss. Am Ufer sitzt eine Affenhorde. Manche trinken vorsichtig um sich blickend. Einige haben Babys, die erstaunt, neugierig oder ängstlich unser Kommen beobachten. Auf dem Fluss schwimmt ein Boot. Die Männer, der Bootsfahrer und unser Elefantenführer, unterhalten sich. Der Bootsmann hat ein Nashorn gesehen und weist den Weg. Schnell reiten wir in die Richtung. Die anderen Elefanten sind schon voraus. Die Jagt beginnt.
Wie die lang ausgestreckten Arme eines Oktopus der nach seiner Beute tastet verstreuen sich die Reiter im Wald. Plötzlich – ein Geräusch von der Seite. Die Männer verständigen sich durch imitieren von Vogelstimmen. Sie haben es! Mit dem Hintern im Gebüsch, etwas irritiert, blinzelt es herüber. Es scheint zu fragen: ,,Na holla, wo kommt ihr denn alle her? Wollt ihr auch von den Kräutern naschen?“ Es zeigt keinerlei Scheu, weil es nur ,,Elefant“ wittert und Elefanten keine Nashörner fressen und auch dessen Horn nicht zur Potenzsteigerung brauchen. Wir sind gerührt. Verzückt beobachten wir die langsamen Bewegungen des Dickhäuters. Wie er sich umschaut, wie er Blumen pflückt, wie er sie langsam nach rechts und links kauend in seinen urzeitlich anmutenden Körper verschwinden lässt. Dann hat es genug von der gaffenden Gesellschaft, wendet sich ab, schlendert gemächlich ins Dickicht. Bevor es vollends verschwindet, sendet es eine ordentliche Ladung Rinopisse in unsere Richtung.

Baden im Fluss

Als ein weiteres Riesenspektakel gilt das Elefantenwaschen im Fluss. Die Tiere haben Freude am kühlenden Nass, die planschenden Touristen am engen Hautkontakt zu den Giganten, die Elefantenführer am Tauchen der Touris und die Anwesenden Fotografen am Anblick hübscher Urlauberinnen.
Ich sitze am Ufer mit einem ,,Lassi“,einem Jogurtgetränkt und beobachte amüsiert die Badenden.
Wie ein riesiger Fels liegt ein Elefant auf der Seite im flachen Wasser. Träge lässt er den Rüssel baumeln. Sein Reiter schrubbt ausdauernd jede Hautfalte. Die Ohren erstrahlen in einem neuen, frischen rosa.
Am Ufer versuchen drei Japanerinnen den sich ganz klein machenden, bereits im Sand hockenden Elefanten zu besteigen. Zwei sitzen kichernd oben, die dritte hangelt kraftlos an der Flanke des Dickhäuters. Mit einem Schups des jungen Führers ist das Trio komplett. Der graue Riese erhebt sich, die Mädels kreischen. Langsam schwankt die Ladung Richtung Wasser. Das Kreischen wird lauter als der erste Wasserstrahl aus dem Rüssel voll trifft. Der Elefant geht tiefer in den Fluss. Sein Rücken schaukelt mit jedem Schritt und mit ihm die Mädels. Die dritte hat bereits gefährliche Schieflage und klammert an der zweiten. Im Zeitlupentempo erfolgt der komplette Absturz. Tapfer haben sie gegen die Schwerkraft gekämpft.
Neben mir steht eine Reihe aufgeregter Männer. Die Auslöser klicken geschäftig. Ich folge ihrem Blick. Ein Elefantenführer gibt eine interessante Vorstellung. Sein Tier ist sehr gut abgerichtet und folgt exakt den Kommandos. Zuerst wird seine hübsche Reiterin mit einem Wasserschwall eingeweicht. Das T-Shirt ist nass. Nach einem schütteln des Riesen geht sie ganz baden. Über den Rüssel steigt sie wieder auf. Lachend schiebt sie sich zurecht, auch das verrutschte Oberteil und das tief ausgeschnittene Shirt. Alle Mühe umsonst… sie wird ein zweites und ein drittes mal abgeworfen. Als sie wieder auf dem Rücken Platz genommen hat, lässt der Treiber durch eine tiefe Verbeugung des Elefanten die Blitzlichter hektisch aufflackern. Die Dame versperrt jedoch mit gespreizten Fingern und einem Grinsen den Blick in ihre ,,Glockengasse“.

Der Weg nach Indien

Zurück in Pokhara, mit dem Indienvisa im Pass, beladen wir die Räder. Nach langem Stillstand ist die Ausfahrt aus der Stadt kein Zuckerschlecken. Es geht bergan und es ist heiß. Meine Beine sind Butter, die in der Sonne schmilzt. Der Atem geht schwer, als hätte ich niemals die Kurbeln eines Fahrrades getreten. Zusätzlich plagt mich die Tatsache, dass alle anderen keine Probleme in ihrem untrainierten Zustand haben. Ich kämpfe mich von einem Schattenplatz zum nächsten, halte und trinke wie eine Ziege, die zu viel Salz geleckt hat. Dabei schiele ich nach ihren Taschen:
,, Habt ihr da nix drin? Ich glaube meine Reifen sind platt! Die rollen so schwer!“ knurre ich leise in die Zähne, prüfe mein Rad und muss enttäuscht feststellen, dass mit diesem alles in Ordnung ist. Ariane, Christoff und Mewes warten geduldig.

Wir kommen nach Tansen, der Geheimtip des Lonely Planet!
Hätte ich die ,,Müllhalde“ vorher gekannt, wäre ich den Berg nicht hinauf gehächelt, aber ich habe Geburtstag und den wollen wir hier feiern.
Die Gassen sind eng, steil, voll mit Fahrzeugen und Menschen und Abfällen, in denen kranke Tiere nach Fressbarem stöbern.. Ein wildes Karussell von Eindrücken dreht sich um uns. Menschenleiber versperren den Weg. Ihre Augen glotzen nichtssagend. Eine dreckige, bettelnde Hand schiebt sich vor meine Nase. Langsam kämpfen wir uns durch den Strom. Im Augenwinkel entdecke ich ein paar abgewohnte, alte, aber architektonisch interessante Häuser. Wir beziehen ein Hotel direkt an der Hauptverkehrsader. Die Zimmer sind billig, es gibt unten ein Restaurant und eine Dachterrasse mit Blick über die Stadt. Wie wir später feststellen müssen, ist unser Raum eine schlechte Wahl. Die Toilette stinkt, auf das Öffnen des Fensters müssen wir Nachts verzichten, weil Moskitos den Bettwanzen bei ihrer Mahlzeit Gesellschaft leisten möchten. Aber nach mehrmaligem Fragen und immer wieder Erinnern schaltet man intervallweise Elektrizität und Wasser ein. So können wir wenigstens alle Akkus laden und unter dem dicken, kalten Wasserstrahl, welcher sich ,,Dusche“ nennt, den Dreck von der Haut schrubben.

Am 10. Mai wird gestreikt! Alle Geschäfte und Restaurants sind geschlossen… nur eines ist in Betrieb. Das edelste und teuerste der Stadt. Hier esse ich den besten ,,Sizzler“ von ganz Nepal. Heute geht’s mir gut, heute habe ich Geburtstag, den ich mit Bikern feiere. Heute trinke ich ein ,,TUBORG“ und die anderen mischen sich versteckt Wisky – Cola Drinks. Was in China zum Gastronomiealltag gehört, wie das Konsumieren mitgebrachter Getränke, wird hier misstrauisch beäugt. Ständig schleicht ein Angestellter um unseren Tisch. Diese Aufmerksamkeit bekommen sonst nur Touristengruppen, die ausschweifende Mahlzeiten zu sich nehmen und mit anschließendem fetten Trinkgeld ihre Rechnung begleichen. Wir passen nicht ganz in diese Schublade – weiß, reich, amerikanisch. Unser Haufen ist europäischer Herkunft, von der Sonnen gebräunt, gemessen an westlichen Maßstäben – kein Haus, kein Auto, kein Handy – also ärmlich. Wir hinterlassen, wie so oft, Unverständnis und Verwirrung.

Wir sind im Flachland von Nepal, auf der Straße nach Westen, nach Indien unterwegs.
Kein Wind, die Piste ist gut asphaltiert… dennoch ist kein Vorankommen! Ab acht Uhr wird’s heiß. Die Luft ist feucht und schwer. Der kräftige Regen, der alle paar Tage fällt, kühlt nur für wenige Stunden. Die aus den Wolken auftauchende Sonne verwandelt alles in eine dampfende Hexenküche.
Der Körper wird lustlos und träge. Von Durst geplagt, obwohl genügend Trinkwasser vorhanden ist, mag er das dreißig Grad warme Gesöff nicht mehr aufnehmen. Er will liegen. Er will in Stillstand verharren. Doch der Kopf treibt: Weiter! Weiter!… bis auch er keine Energie mehr hat. Dann stolpern wir von den Rädern. Gerade rechtzeitig taucht der Schatten spendende Baum auf. Es ist früher Nachmittag. Wir bleiben nicht lange allein. Erst halten zwei neben uns. Kein hallo, kein wie geht’s, kein habt ihr Probleme! Nur gucken! Neugierig geworden, werden es immer mehr Leute – die nur gucken! Wir bewegen uns nicht. Sie bewegen sich auch nicht. Sie gucken!
Nach zwei Stunden beschließen wir unsere Wasservorräte auf zu füllen. In der Nähe ist eine Pumpe. Wir lassen unsere Faltschüssel voll laufen …und die Show beginnt.
Mewes baut sich vor dem Publikum auf: ,, So, liebe Leute, wer mehr sehen möchte, sollte
jetzt zehn Rupis zahlen oder verschwinden!“ Er geht von einem zum andern und hält die Hand auf. Die meisten gehen hinter eine imaginäre Linie auf Abstand, nur einer zahlt die zehn Rupis. Er bleibt neben uns sitzen und bekommt exakt jeden einzelnen Handlungsschritt des Wasserfilterns erklärt.
Es ist sechzehn Uhr dreißig als wir weiter fahren. Es bleiben circa drei Stunden bis die Dämmerung einsetzt. Am Ende des Tages stehen nicht mehr als 60 Kilometer auf dem Zähler. Wir fühlen uns wie die letzten Schlaffies. Abgeklatscht, geprügelt, verhöhnt – durch Tropenhitze.

Alles was Räder, Motor oder Beine hat, scheint nur einen Weg zu kennen. Dieser Weg ist die Landstraße, die auch wir befahren. Der Lärm ist Ohrenbetäubend. Hupend wird sich Raum verschafft. Das Quietschen unserer Fahrradtröten geht kläglich unter. Vor uns laufen Menschengruppen. Beim Überholen schwenkt ein Mann zur Fahrbahnmitte und Christoff erwischt ihn mit dem Lenker. Ich sehe sein Fallen wie in Zeitlupe, jede einzelne Sequenz. Beide Hände sind an den Bremsen. Er stürzt auf Knie, Ellbogen, Rippen und zum Schluss schlägt sein Kopf auf den Asphalt. Plopp!
Als wir neben ihm zum stehen kommen kniet Ariane bereits bei ihm. Sofort bildet sich eine Menschentraube um uns. Christoff sitzt mitten auf der Straße und hält sich den Arm. Laut hupend drängelt ein Auto vorbei. Wir müssen von der Straße, aber Christoff kann sich noch nicht bewegen. Er denkt der Arm ist gebrochen. Mewes und ich räumen sein demoliertes Fahrrad zur Seite. Dann steht auch Christoff am Fahrbahnrand.
,,Setz dich lieber!“ sage ich. ,,Was ist mit deinem Kopf?“
Er setzt den Helm ab. Der ist hinüber. Aufgeplatzt an zwei Stellen.
,,Hat gut geschützt oder?“ Er tastet an der Seite des Schädels, die auf dem Asphalt aufschlug, weiter nach seinem Nacken, dreht den Kopf und stellt fest: ,,Tut nichts weh!“
,,Aber der Ellbogen….:“ Ariane fragt: ,,Guck mal, sehen beide Ellbogen gleich aus…?“
“ Kannst du den Arm bewegen?“frage ich. ,, Mach mal ganz langsam.“ Er bewegt ihn in jede Richtungen. Wir sind erleichtert. Sieht erst mal nur nach Prellungen und Hautabschürfungen aus.
Mittlerweile hängt uns die gaffende Menschenmeute über den Schultern. Wütend baut Mewes mit den Fahrrädern eine Absperrung. Er greift nach einem der Wanderstecken und geht auf den Neugierigsten zu. Erschrocken weicht dieser zurück.
,, Bist du ein Arzt? Willst du helfen oder nur glotzen?“ schreit er ihn an. ,,Nein! Dann verschwinde!“
Er geht zu dem nächsten. Auch dieser zieht sich zurück. Der dritte deutet ein vorsichtiges Nicken an. Es ist der Apotheker, der nur wenige Meter vom Unfallort seinen Laden hat. Christoff und Ariane begleiten ihn dorthin. Die Meute folgt sensationslüstern. Mewes und ich machen Christoffs Rad für den Transport in die Stadt, die nur wenige Kilometer zurück liegt, fahrbereit.
Nach langer Zeit sind die beiden wieder da. Der Apotheker hat die Wunden versorgt. Christoff sieht schon viel besser aus. Er kann selber ins nächste Hotel fahren. Nach der Aufregung brauchen wir Abstand. Abstand zum normalen nepalesischen Alltag.

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