Laos – durch die Berge im Norden

Laos – durch die Berge im Norden

Noch genau 17 Kilometer fahren wir auf der asphaltierten Straße, die von China kommend Richtung Thailand führt. Dann biegt sie rechts ab. Um weiter in den Süden des Landes eintauchen zu können , müssen wir geradeaus, auf die schmale Staubpiste. Grün sind die Berge, doch was einmal Urwald gewesen war, entpuppt sich nach genauerem Hinsehen als Gestrüpp und Buschland. Die Riesen wurden gegangen. Vereinzelt begegnen uns Trucks, die ihre gigantischen Wurzeln in den Norden abtransportieren, wo sie in Möbelstücke,die imposant und unverrückbar in Büro`s oder Hotellobby`s thronen, verwandelt werden.

Die Behausungen sind kleiner geworden.Geschickt geflochten aus Bambus sind die Wände, die Dächer aus Gras. Alles balanciert 2 Meter über dem Erdboden, getragen von einem Stelzengerüst. Unter den Hütten findet ein Webstuhl Platz, auf dem die Frauen wunderschöne Muster in Sari`s weben.
Schon aus weiter Entfernung hören wir die Rufe der Kinder. ,,Sabadie, Sabadieeeeee!“
Sie werden geradezu ekstatisch, wenn wir nicht sogleich darauf reagieren. Flink wie kleine Tiere laufen sie neben den Rädern her und entwickeln eine enorme Ausdauer beim Anschieben.
Aber den meisten Spaß haben sie beim sogenannten ,,Abklatschen“. Sie wetteifern um die lautesten Patschgeräusche. Mewes macht extra eine hohle Hand. Manchmal sind wir zu schnell und ich schreie ,,Vorsicht! Vorsicht!“ und lasse die meine der Bewegung folgen um den Schwung zu mildern. Das kann die Kleinen nicht abschrecken. Sie plappern: ,,Vorsicht. Vorsicht!“ ohne den Sinn des Wortes erfasst zu haben. An manchen Fingern klebt Reis, den sie noch vor wenigen Sekunden in ihre Münder stopften. ,,Bah, wie werde ich das denn nun wieder los?“ ruft Mewes und greift nach der nächsten Kinderhand.

Der Morgen ist erfrischend kühl, genau die richtige Temperatur zum Berge hinauf stampfen. Die erste Anhöhe ist erreicht,die einen umwerfenden Blick ermöglicht.Wie Zuckerwatte zwischen blaugrün gefärbten Zuckerhüten liegt der Nebel im Tal. Aus dem weißen Dunst strecken weitere Gipfel ihre Kuppen. Den Vordergrund dieses malerischen Bildes bilden Bananenstauden. Der Anblick wäre zu perfekt, trügen sie reife Früchte.
Während wir weiter fahrend durch ein Dorf rollen, wie immer begleitet von Kindern, weist eines von ihnen auf eine seltsame Angelrute. Diese steckt im Erdboden, weit ab jeglichen Gewässers. Es baumelt auch kein Fisch daran hin und her, sondern ein Nagetier, verschnürt wie ein Rollbraten. Der Braten zappelt hilflos in der Luft und es besteht kein Zweifel, das das Tier als solcher enden soll. Der Dschungel, selbst wenn man ihn nicht mehr als solches bezeichnen mag, kennt kein Mitleid. Er kennt nur leben,überleben, fressen, gefressen werden.
Wir sind glücklich, nicht mit irgendeiner Waffe, sondern mit Geld etwas Essbares ergattern zu können. Die kleinen Stände am Wegrand haben Getränke und Knabbereien und wenn Markttag ist Früchte, Gemüse, Hühner und anderes Getier, das sich in der Nacht noch in Freiheit wähnte. In größeren Orten, an Busstops lockt die ein oder andere Suppenküche. Die Suppe ist gut. Es schwimmt ein Berg Nudeln darin und einige frische, nicht zerkochte Gemüse. Doch nach zwei Stunden wünscht man sich die nächste Nahrungsquelle herbei. Alle Energie ist verbrannt.

Fast hätte der letzte Anstieg, steil wie er war, den Rausch der langen Abfahrt zunichte gemacht. Im rechten Augenblick erfassen die Sinne Paul,der mit einem Getränk am Pool der heißen Quellen steht. Wir sind am Ziel.

Vom Fenster unseres Bungalows beobachte ich die Badenden. Die Frauen gehen mit Sari ins Wasser. Viel Haut zeigen sie dabei nicht. Geschickt halten sie das Tuch mit einer Hand. Okey – ich steige wenige Minuten später ebenfalls ,,anständig“ gekleidet in das warme Wasser. Mewes und Paul genießen mal wieder ihr ,,Mann sein“. Badehose ist ausreichende Bedeckung eines ansonsten im klarsten weiß und rotbraun leuchtenden Körpers.
Aaaah, das tut so gut. Die Muskeln entspannen. Wir lassen uns treiben. Erst als die Haut hässliche Falten wirft, ein Knurren aus dem Wasser dringt und die Abenddämmerung einsetzt entschließen wir uns die Badewanne zu verlassen.

Vang Vieng Partystadt

Hätte Vang Vieng nicht diesen Ruf, niemand würde hier halt machen. Außer vielleicht Kletterer und Höhlenwanderer. Der Ort ist flankiert von riesigen Kalkwänden. Unendlich viel Potenzial lauert hinter üppigem Pflanzenwuchs. Die Erschließung steckt noch in den Kinderschuhen. Aber deshalb sind die wenigsten hier. Tubing auf dem Fluss verströmt eine derartige Anziehungskraft, die bis Südamerika reicht. Das ist nicht einfach nur ein mit dem Hintern in einem Gummischlauch hängendes dahin dümpeln. Nein, während einem die Sonne so richtig einheizt, kann man die verschiedensten Stopps einlegen. Da gibt es in den Bäumen hängende ,,Lianen“ mit denen man ins Wasser schwingen kann oder kleine Bars, die Erfrischungsgetränke servieren, von denen manche eine etwas sonderbare Wirkung auslösen.

Wir, ein Radlertrupp, die dem Nichtstun den Vorzug geben, speziell an solchen Orten, wo alle irgendetwas ganz besonderes veranstalten, genießen das allabendliche Abladen der Gummireifen und ihrer Hintern. Ein Tucktuck nach dem anderen fährt vor, eine johlende Meute auf der Pritsche. Die Stimmung ist ausgelassen. Schwankende weiße Leiber purzeln auf die Straße. Ein Eimerchen in der einen Hand, mit der anderen Halt suchend nach dem Kumpel greifend….Doch der liegt wie ein gefällter Baum auf dem Dach des Fahrzeugs.
Mein Blick sucht nach dem Mund, aus dem ein durchdringendes Kreischen dringt. Es kommt aus drei Mündern,die zu drei Blondinen gehören. Das Kreischen ist überflüssig. Auch ohne haben sie die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich gezogen. Da springen Beine, Hintern und Titten über den Asphalt. Das sie teilweise von Bikinis verhüllt sind, retuschiert die Phantasie wie ein Radierer den schwarzen Balken zensierter Bilder. Pauls Kommentar zu Mewes : ,, Eh, das können die doch nicht machen mit mir, ich bin ein Mann und ich war für lange Zeit allein unterwegs….“
Das hier ist kein Werbespot für Badebekleidung, keine Unterhaltungsshow, Seifenoper oder anderweitiges Programm,das der Zerschlagung jedes eigenständigen Denkens dient. Das ist kein TV! Das ist die Wirklichkeit, Big Brother außerhalb des Containers! Das gleicht einem Irrenhaus. Dabei ist es nur eine Party, bei der man sich selbst und die anderen vergisst.

Pistolero am Mekong
Wenn ein Reisender auf seiner Tour etwas vermisst, dann sind es drei Dinge: die oder den anderen zwecks Austausch von Nettigkeiten, gute Literatur und Musik. Derlei zu finden ist oft langwieriger, als die Durchquerung einer Wüste. In meiner Situation kann ich erstes ausklammern. Bei der Literatur bin ich weniger wählerisch geworden und finde daraufhin einige Bücher in sogenannten Backpacker Citys. Und zum Thema Musik will ich folgendes erzählen.

In der Hauptstadt von Laos machen einige Bars auf sich aufmerksam in dem sie mit Live-Musik werben. Wir wollen uns dem Genuss deren Angebote hingeben. Die erste verströmt den Charme eines Friedhofs. Die zweite will zwei Stunden später den Bär tanzen lassen. Es bleibt nur die eine, die schon eine Menge Weiße angelockt hat. Die Mexican- Bar. Zwei Künstler, einer Gitarrist und einer Trommler lassen die Füße zucken. Stive, Paul, Mewes und ich finden einen Sitzplatz direkt neben der Band. Es ist so laut, dass der Fisch im Aquarium neben uns, sei es wegen der Schallwellen oder der vielen Menschen, wie irr im Kreis schwimmt. Ich vermute aber, das sein vorheriges Heim ein Einweckglas war. Gleich einem Gefangenen in einer 4 Quadratmeter großen Zelle fesselt ihn seine Verwirrung auf einen eingeschränkten Bewegungsspielraum. Eine Optimistin interpretiert sein Treiben als Freude am Tanzen. Meine Aufmerksamkeit wird in andere Bahnen gelenkt. Begleitet von freudigem Gejohle und Klatschen betritt ein älterer, etwas beleibter, wie alle Laoten lächelnder Mann die Bühne. Er greift nach dem Mikro und beginnt sein Entertainment. Natürlich,ich habe nie eine andere Stilrichtung in diesem Land gehört, singt er einen Lovesong. Man hört ein Seufzen. Die Einheimischen kennen diesen und verzückt singen sie mit. Eine sinnbildliche rosa Wolke schwebt im Raum.
Ein anderer greift nach dem Mikro und schmachtet nun seine Gesangskünste hinein. Die Qualität ist nicht sehr hochwertig, aber der Unterhaltungseffekt enorm.
Eine Lady reißt uns aus dem Bann des süßen Liebesgeflüsters. Mit einem Glas Roten in der Hand und einer von Paul entzündeten Zigarette in abgespreizten Fingern haltend, singt sie englische Ohrwürmer. Wir sind erleichtert.

Der Abend schreitet voran. Musiker, begabte und weniger begabte wechseln einander ab. Es wird getanzt und gesungen.
Zwei Frauen gesellen sich zu uns. Sie sehen aus wie Mutter und Tochter. Die Jüngere bleibt auf Pauls Seite und die andere bei Steve. Wir lassen die vier allein und wechseln die Bar.

Die Musik ist weit aus professioneller. Die Gäste, wie wir nach einem kurzen Rundblick feststellen, sind Einheimische. Allerdings nicht die, die wir für gewöhnlich in den Dörfern oder auf der Straße treffen. Es ist die Oberschicht oder die, die vorgeben es zu sein.
Niemals hätten wir zu hause einen Fuß in diesen VIP- Schuppen gesetzt. Alles wirkt gestellt. Mann winkt mit den Scheinen, zwei gestylte ,,Damen“ an der Seite. Mann ist jemand. Mann zeigt Macht. Mann kauft alles.
Wir bestellen ein Bier und lassen uns vom Sound mitreißen. Der Typ vom Nachbartisch beginnt eine Unterhaltung mit Mewes. Und sogleich outet er sich als Hitler – Verehrer , als er erfährt, dass wir Deutsche sind.
Mewes erklärt ihm daraufhin: ,, Mein Freund, dich hätte er als erstes gekillt…, weil du so aussiehst wie du aussiehst. Du bist nicht weiß!“
Das hat ihn nicht im geringsten erschreckt. Mich langweilt das Gespräch. Ich statte der Toilette einen Besuch ab.
Als ich zurück bin, ist Mewes eiligst bemüht die Rechnung zu bezahlen und den Ort zu verlassen. Ich bin etwas irritiert.
,, Der hat mir seine Pistole gezeigt!“ erzählt er aufgebracht.
,,Oh Scheiße, das Ding war geladen. Der war ganz stolz drauf. …Erst zeigt er mir draußen seine fette Harley… und dann die Wumme…und erzählt mir wie gut die ist… deutsches Fabrikat. Ich habe keine Ahnung mit wem oder was wir es da gerade zu tun hatten. Ich wollte einfach nur weg!“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert