Iran- warten und was man sonst noch tut

Iran- warten und was man sonst noch tut

ISFAHAN

Die Visen sind beantragt. Nun heißt es, die Zeit des Wartens sinnvoll ausfüllen. Wir deponieren die Fahrräder und nicht benötigtes Gepäck im Hotel, kaufen ein Busticket und auf geht‘ s nach Isfahan. Hier soll die Suche nach dem alten Persien und dem Persien der Gegenwart beginnen.

Der Taxifahrer, von dem wir uns ins Zentrum der Stadt bringen lassen, ist da sicherlich der falsche Helfer. Einer mehr, der unsere Ahnungslosigkeit in Bezug zum Fahrpreis, auszunutzen weiß. Schlaflose Nächte und Ungeduld waren schon immer schlechte Voraussetzungen zum Geschäfte aushandeln.

Ich möchte an dieser Stelle keine Reiseführer zitieren, um all die Sehenswürdigkeiten richtig beim Namen nennend, aufzählen zu können. Da wäre eine Brücke zu beschreiben mit ca. 30 Bögen, die den Fluss überspannt, der die Stadt in der Wüste existieren lässt. In den schattigen Nischen, nur wenige Meter über dem fließenden Gewässer, ist die Mittagshitze am erträglichsten. Nur eines der ehemals zahlreichen Teehäuser ist geöffnet. Sehr bedauerlich. Traf man sich doch nicht nur zum Tee trinken, Plaudern, Gedankenaustausch oder Wasserpfeife rauchen…. Die Jugend schleicht trotzdem hier herum und findet in unserer Anwesenheit eine willkommene Abwechslung. Und auch wir mögen diese erfrischenden Begegnungen, zeigen sie uns doch ein klein wenig von dem anderen Iran. Das bunter, fröhlicher, weniger konservativ ist, aber nicht öffentlich zur Schau getragen werden darf.

Im Palastgarten finden wir Beschäftigung für zwei Tage. Da ist einmal der Palast selbst zu besichtigen mit seiner riesigen Terrasse von der aus man hervorragende Bilder schießen kann. Dann der historische Basar, der Touristenbasar mit den Teppichhändlern, ein Teehaus vollgestopft mit, ich würde sagen Krempel, andere bezeichnen es vornehm Antikes. Dann gibt es zwei Moscheen. Die größere hat im Eingangsbereich einen einladenden Schattenplatz. Von hier ist das Verhalten der Gäste gut zu beobachten. Ich studiere den Gebrauch des Schadohrs, der unbedingt, trotz Kopftuch und bereits verdeckter anderer verführerischer Hautpartien, während des Besuchs zu tragen ist. Die Neugierde einiger Frauen auf dieses bewundernswerte Bauwerk wird durch die zusätzliche Hülle, die verstecken soll,aber auch wärmt, merklich gedämpft.

Meine Neugierde überwiegt. Was ich nicht bedacht habe, meine Hände sind nun gefesselt. Die ganze Zeit sind sie damit beschäftigt, Kopftuch und Schadohr zurecht zu rücken und fest zu halten. Das fotografieren muss ich Mewes überlassen. Ich habe einmal mehr den Beweis, ohne männliche Unterstützung handlungsunfähig zu sein. Wir einigen uns auf Teamwork. Ich suche die Motive und sage Ihm wie das Bild einzurichten ist und er drückt den Auslöser.

Es ist fast unmöglich unauffällig rum zu sitzen. Früher oder später hat man die Ehre, die Gesellschaft von Basaris, Studenten, eine Horde kichernder Kinder oder Helfer für eventuelle Notfälle genießen zu dürfen. Man probiert gern die Wirkung erlernter Sprachkenntnisse. Meistens ist es echtes Interesse am anderen und man teilt dem ehrfürchtig lauschenden Umfeld das soeben Erfahrene mit. Zu meiner eigenen Freude stelle ich fest, dass es oft die Frauen sind, die ein besseres Englisch sprechen.
Die Einladung zum Tee wird natürlich von einem Mann initiiert und ist an Mewes gerichtet. Ich bin das schmückende Beiwerk.
Wir landen in einem Teppichladen. Unsere Kaufunlust, die wir schon vor dem Tee bekundet haben, kann den Verkäufer nicht bremsen. Begeistert zerrt er einen Teppich nach dem anderen aus den sich türmenden Stapeln und erzählt die Geschichte der Herstellung und die Bedeutung der eingewebten Ornamente. Die Zeit vergeht. Wir wollen uns verabschieden, doch er möchte die Rolle des Gastgebers weiterspielen und geht mit uns in oben beschriebenes antikes Teehaus. Und, welch ein ungewohnter Anblick, weil offiziell nicht geduldet, hier sitzen Frauen und paffen genüsslich Wasserpfeife. Auch wenn ich mich längst von dem Laster,das Rauchen, befreit habe,gefällt mir diese ,,Lasterhöhle“, hier fühle ich mich wohl, die Atmosphäre ist harmonisch, gemütlich. Der Abend ist fortgeschritten, der Tee allein kann unsere knurrenden.Mägen nicht beruhigen. Mit dem Auto fahren wir in den armenischen Stadtteil zum Pizza essen. Hier trifft sich das Jungvolk. So manches Kopftuch rutscht verlockend weit nach hinten. Die Mädels sind geschminkt und zeigen den ein oder anderen frechen Farbtupfer. Man tauscht Telefonnummern. Wir spüren schon tot geglaubtes Knistern. Natürlich ist das Spiel unauffälliger, versteckter, aber immerhin…
Die Natur lässt sich nicht eingrenzen, bezwingen oder dressieren, nicht für die Ewigkeit. Sie hat ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten

SHIRAZ

Wenn man viele Kilometer durch totes Land gefahren ist, führt das Grün jeder noch so kleinen Oase zu überschwänglichen Gefühlsausbrüchen. Man darf weiterleben. Es gibt die Möglichkeit den ausgedörrten Körper mit neuer Energie zu füllen. So, wenn man den Weg aus eigener Kraft zurück gelegt hat.
Unsere Luftsprünge fallen gediegener aus. Die Beine sind steif vom zusammen gekauerten sitzen im Bus. Den Überlebenskampf hat der Fahrer ausgefochten. Unsere Ängste und Bedenken haben dazu nichts beisteuern können. Auch wenn wir uns das eine oder andere mal gern nach unten gebückt hätten, um ihm das Suchen nach Keksen, Früchten oder anderen Naschereien zu ersparen. Die DVD’s hätte er nicht wechseln müssen. Der Inhalt ist wenig unterhaltsam. Er hätte sich voll auf die Überholmanöver konzentrieren können.
Aus dieser Busfahrt habe ich gelernt, dass es nicht immer wichtig ist zu wissen, wie man von A nach B kommt, sondern dass man ankommt. Auf weitere Ehrenplätze, ganz vorn ,gleich hinter dem Fahrer, mit guter Aussicht kann ich nun verzichten.

Befreit vom Gefühl des ausgeliefert sein‘ s, erkunden wir die Gräber der Könige und die Ruine Persepolis. Das ahhhhhhh und ohhhhhh…. fällt sicher gedehnter aus, wenn man sich intensiver mit der Historie beschäftigt hat. Uns hat der Fels, in dem die Reliefs der Eingangsportale zu den Grabkammern eingehauen sind, mehr begeistert. Mit kritischem Blick tasten wir kletterbare Wege ab. Dieser Automatismus lässt sich schwer kontrollieren. Setzt er doch sofort ein, wenn fester Stein senkrecht aufragend ins Sehfeld rutscht. Mit Respekt vor der Ruhestätte gewichtiger Ahnen wenden wir uns einer anderen zu – Persepolis. Mit Hilfe der eigenen Phantasie und der modernen Computertechnik lässt sich dieses einst pompöse Säulenbauwerk rekonstruieren. Und ich bedauere, einige Jahrhunderte zu spät geboren worden zu sein. Hier wäre ich gern Besucher zur Zeit der Hochkultur gewesen. Wenn die Hallen durch hunderte Fackeln erleuchtet sind und Festtagszeremonien zelebriert werden.
Heute muss ich mir gute Fotostandpunkte suchen, um nur ein Bruchteil der einstigen Pracht einfangen zu können. Am Ende bleibt es eine Ruinen.

YAZD

Endlich haben wir sie gefunden, die Insel der Ruhe.
Im alten Stadtteil, der zum größten Teil aus gestampften Lehm errichtet ist, gibt es das Silkroad – Hotel mit einem Hof,der in seiner Grundstruktur den spanischen Patios so sehr gleicht. In der Mitte plätschert ein Wasserlauf zwischen üppig wachsenden Pflanzen. Auf einer Seite befindet sich ein Säulengang der gleichzeitig Schattenspender ist, auf der anderen ist ein offener Raum, ähnlich einer Terrasse. Hier wird das Essen serviert. Gegenüber sind die Räume der Gäste. Davor befinden sich einladende, in Teestuben übliche Sitzecken. Alles wirkt einfach, zweckmäßig, heimelig. Eigentlich braucht man den Ort nicht zu verlassen. Es ist alles da. Wasser, Essen, eine Schlafstätte, Internet und Reisende, die ihre Geschichten mitgebracht haben. Wir treffen einige wieder, die wir irgendwo unterwegs kennen lernten. Die Abende sind lang und fröhlich – auch ohne Bier.

Natürlich kommt man nicht nach Yazd um in einem Hotel ab zu hängen. Wir schleichen in den Morgenstunden durch die schmalen Gassen der Altstadt über Plätze, Höfe und Moscheen bis die brennende Sonne zur Siesta treibt.
Am Abend ordern wir ein Taxi, zwängen uns zu sechst hinein und lassen uns vor die Stadt zu zwei mächtigen Hügeln bringen. Wir folgen den Fahrspuren, die fast bis ganz hinauf zu den Türmen führen. Es weht ein kräftiger Wind. Die Aussicht ist grandios. Für einen Moment genießen wir die kühlere, klarere Luft. Dann steigen wir in die Türme, die seit den sechziger Jahren nicht mehr letzte Ruhestätte für Verstorbene sind. Früher hat man die Toten hier aufgebahrt. Und irgendwann hatten die Vögel die Knochen sauber gepickt, die im Anschluss in der Mitte der Türme aufgehäuft wurden und was dann damit geschah…keine Ahnung.
Heute sieht man die Leute Motocross fahren oder einen alten Mann in bewundernswerter Weise über die Hügelkette joggen. Dieser Ort zieht immer noch Menschen an, wenn auch auf andere Art und Weise. Er hat von seiner Magie nichts eingebüßt. Das Licht der untergehenden Sonne wirft eine Decke des Friedens über die Landschaft.

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