Heiße Sache

Heiße Sache

TRABZON

Kein Radfahrer,befindet er sich einmal auf der Hochebene, fährt mal eben so hinab zur Schwarzmeerküste und die 2300 m über mehrere Pässe im Anschluss wieder hinauf. Es muss schon einen triftigen Grund geben. Zugegeben, die Landschaft ist ein Traum. Tief gehen die Einschnitte ins bunt gefärbte Gestein.Der Wald, der an dieser Gebirgsseite wächst, wirkt fast tropisch. Nur die lauten, exotischen Tierstimmen fehlen. Die steile Abfahrt katapultiert einen in einen regelrechten Geschwindigkeitsrausch. Das alles ist nicht reizend genug, um die Qualen, die man beim Anstieg erleidet zu rechtfertigen.
Es hat sich unter Reisenden herumgesprochen, dass das Visa für den Iran hier in TRABZON schnell und unkompliziert zu bekommen ist. Unseres dauert von der Bezahlung, dies ist der erste Schritt, bis zur Abholung ganze 1,5 Stunden.
Bevor es überhaupt ans Antragsformular ausfüllen geht, schickt uns der Konsul zur Bank. Denn diese hat nur noch eine halbe Stunde geöffnet. Mit einem Zettel und der groben Wegbeschreibung flitzen wir los. Dank vieler hilfsbereiter Leute stehen wir tatsächlich noch vor dem Schließen am Schalter und zahlen jeweils 60,- Euro ein. Mit dem Überweisungsbeleg geht’s zurück zum Konsul. Wir füllen die Anträge aus, geben zwei Passbilder (auf meinem bin ich Kopftuch tragend abgelichtet) und die Pässe ab. Sie werden sofort bearbeitet und das Visa schmückt nach ca. einer halben Stunde eine weitere Seite unserer roten Büchlein. Auf diesen gelungenen Einstieg zum Visabeschaffungsmarathon kippen wir einige türkische Tee’s.
Nun können wir TRABZON genießen. Die Stadt wirkt jung, grün und geschäftig. Man sagt über sie: ,,Man liebt oder man hasst sie!“ ein dazwischen gibt es nicht. Wir lieben sie. Die Leute, die wir treffen sind herzlich, neugierig und umwerfend freundlich. Das Hotel entspricht genau dem, was wir brauchen (mit Küche ,die wir gern zur Zubereitung von Zwischenmahlzeiten nutzen,Internet und einen sicheren Platz fürs Fahrrad). Das Essen in den Restaurants ist ebenso nicht zu verachten. Es ist radfahrerfreundlich, das heißt: üppig.
Und der Postverkehr funktioniert.

SUMELA

Obwohl der Körper nach den Faulenzertagen ausgeruht sein müsste, können wir den nötigen Elan, um einen Berg hinauf zu kommen, nicht aufbringen.
Bei Mewes treten erste Anzeichen einer Erkältung auf, die ihn dann tatsächlich in MACKA, 40 km nach TRABZON ausbremsen. Auf einem Campingplatz mieten wir einen witzigen Pfahlbau. Seine Grundfläche ist nicht größer als vier Quadratmeter, aber er ist doppelstöckig. So bietet er trotz der Winzigkeit Raum für alle und alles. Anfangs erscheint uns die ganze Konstruktion instabil, weil sie bei der geringsten Bewegung zum Schwanken neigt. Später denken wir: `Was elastisch ist, bricht nicht!‘
Die Zeit, die Mewes zur Genesung braucht, nutzen Wolfgang und ich zum Besuch eines restaurierten, verlassenen Klosters. Die Straße, die sich hinauf schlängelt ist schmal, dennoch asphaltiert. Es geht durch Felsschluchten und Wald von 672 m auf 1300 Höhenmeter. Die Steigung ist wenig in den Beinen zu spüren. Es lässt sich vogelhaft leicht pedalieren. Es ist eine Freude, die Trägheit eines 60 oder 70 Kilogramm schweren Bikes abwerfen und vergessen zu können. Diese neu gewonnene Freiheit provoziert gar ein Lied auf die Lippen, welches ich dann doch nicht,mangels Stimmgewalt, lauthals hinaus singe. Eine Krähe ist noch nie zu einer Lärche mutiert.

Das Kloster klebt an einer Felswand, die sich in einem Nationalpark befindet. An der Pforte winkt man uns schmunzelnd hindurch – verrückte Radfahrer, so viele scheinen hier nicht hinauf zu fahren, zahlen keinen Eintritt.
Der Ort lockt Besucher, wie der Honig den Bären. Wir reihen uns ein in die Menschenkette, die sich an der Wand entlang, zum Eingangportal schlängelt.
Wenn man die Klöster von Meteora in Griechenland besichtigt hat, bietet dieses hier kaum mehr Highlights. Das Interessante ist der Anblick der Fresken. Leider sind sie zum größten Teil zerkratzt. Man kann noch ihre einstige Farbenpracht erahnen. Eine Frage drängt sich mir auf: ,, Warum diese Zerstörung?“
Es zerfetzt mir das Herz, wenn Bilder, nicht nur diese hier oder Bücher absichtlich vernichtet werden. Es sollte keine Rolle spielen, ob das, was sie ausdrücken wollen schön, geistreich, geschichtsträchtig, zur Zeit verboten oder ob sie technisch perfekt ausgeführt wurden, um eine Auslöschung zu rechtfertigen. Für mich sind es gebündelte Gedanken, Gefühle, Ereignisse die durch einen Stift oder Pinsel vom unsichtbaren, unlesbaren in einen sichtbaren, lesbaren Zustand verwandelt wurden. Es ist Kunst, eine Ausdrucksform, ein Stück Kultur einer Gesellschaft. Jedes Vernichten macht uns ein Stück ärmer. Jedes Vernichten löscht ein Stück unseres Gedächtnisses.

Und so stehe ich mit meinen Gedanken allein unter all den Touristen und fotografiere die Reste. Schaue hinaus in den immer schwerer fallenden Nebel der sich ins Tal legt und so recht zur Stimmung passen will.

AGRI

Seit fünf Kilometern liegt der Ort bereits hinter uns. Es sieht nicht gut aus, einen versteckten Schlafplatz zu finden. Die Besiedelung am Fluss ist zu dicht. Es gibt keinerlei Bewuchs. Auf der linken Seite entdecke ich eine Polizeistation. Sie hat einen Gemüsegarten, Hühnerstall, Shelter, Brunnen und… eine Rasenfläche.
Während wir beratschlagend herum stehen, winken die Polizisten uns zu sich. Bei einigen Tassen Tee wird geklärt, ob wir die Zelte aufbauen dürfen. Der Boss ist einverstanden.
Ihre Schicht geht zu ende, sie verabschieden sich, wir bauen die Zelte auf und kochen unsere Nudeln. Mittlerweile hat die Nachtschicht ihren Dienst angetreten. Zwei Beamte kommen fast schleichend durch den Gemüsegarten auf uns zu. Wäre da nicht das riesige Gewehr unterm Arm des einen , man könnte das ganze witzig finden. Aber in den letzten Tagen haben wir zu viele Waffen und Militärs, zu viel in der Presse gesehen. Ich zeige ihnen die digitalen Bilder, die ich noch vor einigen Minuten von den Kollegen geschossen habe, damit sie sehen, dass wir uns nicht selber eingeladen haben. Alles reden und zeigen ist zwecklos, wir müssen einpacken. Entschuldigend erklärt man uns, der Ort sei nicht sicher. Wie zur Unterstreichung ihrer Worte fährt ein Panzerfahrzeug vor. Soldaten tragen Munitionskisten ins Gebäude. Anschließend verbarrikadieren sie den Eingangsbereich mit Sandsäcken. Wir haben genug gesehen. Das sieht nach ernsthaftem Ärger aus. Die einsetzende Dunkelheit treibt uns zusätzlich zur Eile. Wir fahren zurück nach AGRI. Bei der ersten Tankstelle gibt es ein Hotel und eine Wiese. Das Hotel ist ausgebucht und die Wiese auch nicht sicher. Wir fahren weiter. Es ist nun dunkle Nacht. Die Stirnlampen können die löchrige Straße kaum ausleuchten. Das Zentrum von AGRI ist taghell und voller Menschen. Das erst beste Hotel ist unseres. Für eine Nacht muss das Wenige genug sein.

IRAN
Auf den letzten dreißig Kilometern bis zur iranischen Grenze, kommen wir noch einmal an einer Kaserne, bettelnden Kindern, einem Tümpel, in dem ein totes Pferd aufgedunsen an der Oberfläche treibt vorbei. Lassen den Ararat, Noahs Arche und den türkischen Grenzer mit seinem Ausreisestempel zurück. Dann setze ich mir das Kopftuch auf und folge Wolfgang und Mewes in den IRAN.

Es ist heiß und trocken. Gegen Mittag zeigt das Thermometer 45 Grad Celsius. Wir müssen unseren Tagesablauf anpassen. Das heißt: gegen sechs Uhr aufstehen und sieben Uhr, spätestens halb acht losfahren, was eigentlich zu spät ist, wiederum für manchen Mitreisenden zu früh. 🙂 Über Mittag wird eine längere Pause eingelegt und in die Abendstunden rein gefahren.
Nach vier Tagen sind wir in TABRIZ. Zwanzig Kilometer vor der Stadt wird der Verkehr so dicht und laut, dass eine Verständigung nur durch Anschreien oder Zeichengebung mit den Händen möglich ist. Abgase und aufgewirbelter Staub erzeugen zusätzlich Hitze und ein Kratzen im Hals. Die Fahrt ist unangenehm und bestärkt unser Vorhaben, den Bus von TABRIZ bis TEHERAN zu nutzen.

Was alle iranischen Städte gemeinsam haben, ist ein strapaziertes, überquellendes Verkehrssystem,wobei ich ein System noch nicht wirklich erkannt habe. Man fährt anders und scheinbar Regel los. Ab und zu springen Polizisten dazwischen um das Chaos zu perfektionieren. Der Strom fließt dennoch Tag und Nacht mit enormen Geräuschpegel. Die elegantesten Lückenspringer, auch mal gegen die allgemeine Fahrtrichtung, sind die Mopedfahrer. Selbst mit Frau und Säugling auf dem Sozius haben sie keine Probleme oder Bedenken sich ganz nach vorn zu schlängeln.
Das verblüffende ist, hat man sich einmal in diese Lawine gestürzt, egal ob mit dem Fahrrad oder zu Fuß beim überqueren einer Fahrbahn, spuckt sie einen irgendwann am richtigen Ziel mit schnellerem Herzschlag, ansonsten unbeschadet wieder aus.

TEHERAN

Am frühen Morgen stehen wir mit einem Berg von Taschen und Fahrrädern ganz benommen und schlaftrunken am West-Busterminal in TEHERAN. Wir haben die Nacht,wie unter Backpackern üblich, zum Städtewechsel (TABRIZ- TEHERAN) genutzt. So spart man einmal die Kosten für ein Hotelzimmer.
Wir warten bis es hell wird, aber die Hauptverkehrszeit noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat, um ins Altstadtzentrum zu unserem Hotel zu fahren.

Hier treffen wir endlich auf Radfahrer. Und auch Ean, den wir in TRABZON kennengelernt haben, taucht wieder auf. So hat letztendlich das Warten auf die Visas etwas positives. Schon nicht mehr verblüffend, eher witzig, sind die unterschiedlichen Bedingungen beim Beantragen oder die Art und Weise der ganzen Bearbeitung eines Visas für das selbe Land. Ein normal Sterblicher wird selbst mit einer Machete keinen Lichttunnel in diesen Beamtendschungel schlagen können. Er bleibt undurchschaubar.
Die meisten, so auch wir, nutzen die Bearbeitungszeiträume zu Ausflügen nach ESFAHAN, SHIRAZ und YAZD.
Aber das wird eine andere Geschichte.

PS: Eine Bitte an alle Spender für die Schule in Indien ( Gutes Tun), die wir unterstützen.
Vergesst bitte nicht auf dem Überweisungsformular das Stichwort: rumradeln
Elena kann die Spender sonst nicht zuordnen.
DANKE !

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