Auf dem mexikanischen Hochland

Auf dem mexikanischen Hochland

Die See ist ruhig in dieser Nacht. Wir befinden uns auf dem Fährschiff, welches von der Halbinsel Baja California zum mexikanischen Festland übersetzt. Dösend kauern wir zwischen langen Sesselreihen, die Köpfe auf unsere Taschen mit der Fotoausrüstung gelegt. Es ist nicht leicht zur Ruhe zu kommen. Die meisten Leute scheinen Nachtschwärmer zu sein. Der Geräuschpegel ebbt nie ab. Ein Fernseher brüllt. Füße schlurfen über den Boden und ständig drängeln Körper an uns vorbei. Wir schlafen abwechselnd, denn es soll Taschendiebe an Bord geben.

Am frühen Morgen ist Mazatlan erreicht. Fluchtartig verlassen wir das Schiff. Eine ölig, rußige Abgaswolke, die die gestarteten Fahrzeuge ausstoßen, treibt uns Tränen in die Augen und lässt die Lungen nach Sauerstoff hecheln.
Der Empfang auf der vierspurigen Hafenstraße lässt nicht minder den Atem stocken.
Verbissen wird um jede Lücke im Verkehrsstrom gerangelt. Derjenige mit dem schnellsten, lautesten oder dicksten fahrbaren Untersatz hat die Nase vorn. Wir fühlen uns eindeutig benachteiligt…. und stürzen todesmutig ins Gewimmel.

Als wir auf die Straße nach Durango abbiegen, ist der Spuk vorbei. Ruhe, kein Hupen, die Motorengeräusche klingen nur noch fern. Fast glauben wir die falsche Richtung eingeschlagen zu haben,denn der Reiseführer beschreibt die Strecke als stark frequentiert. Der Blick auf die Karte lässt keine Zweifel zu. Es ist der richtige Abzweig. Langsam beginnt ein zäher Anstieg. Am ersten Tag sind 60 Kilometer geschafft. Das Radfahren am 2. und 3. Tag lassen die Kräfte schwinden und am jeweiligen Abend verzeichnet der Tachometer nicht mehr als 40 vorangekommene Kilometer. Wir meinen kaum an Höhe zu gewinnen, denn ständig machen Abfahrten, hinab zu sich ins Gestein grabenden Gewässern, erkämpfte Meter zunichte. Man könnte gefrustet das Rad hinschmeißen, auf den nächsten daher fahrenden Pickup laden oder einfach wütend weiter stampfen, wenn nicht immer wieder grandiose Ausblicke auf bewaldete Bergrücken und dunkle Täler die Trinkpausen versüßen würden. Unter Genuss am ganzen kann man sicherlich etwas anderes vermuten. Es sei denn, man liebt den Schmerz und lässt sich durch ihn zu nie gekannten Höhen treiben. Eine neue intensive Erfahrung ist es für uns allemal.

An manchen großzügig ausgebauten Kurven stehen kleine Buden. Hier werden süße Getränke, Snack`s und andere Leckereien verkauft. Die Besitzer finden unser Tuen lustig oder einfach unverständlich. Mit Klatschen und Anfeuerungsrufen wird dennoch nicht gespart. So manch Autofahrer stoppt am Fahrbahnrand um uns mit zu nehmen. Er macht ein Abschiedsfoto und schenkt ein Schulterklopfen, wenn wir das Angebot ehrgeizig ausschlagen. Eine Familie vergisst sogar ihr soeben abgebranntes Vehikel. Sie scheinen nicht sonderlich schockiert darüber,denn man winkt uns lachend zu. Über diese seltsame Szene sind wir nun äußerst verdutzt.War das nicht ihr ,,Baby“, D A S Statussymbol, was da in Rauch und Flammen aufging?…

Nach über 150 Kilometern und laut Karte 2000 überwundenen Höhenmetern ist Durango erreicht. Mit Lichterketten geschmückt präsentiert sich die Stadt und auch die Menschenmassen in ihrem vorweihnachtlichen Einkaufsrausch weisen deutlich auf das bevorstehende Ereignis hin. Kinder trällern wohlbekannte Melodien hüpfend an der Hand ihrer Mütter, jedoch vom Lärm aus den Lautsprecherboxen vor den Kaufhäusern gnadenlos niedergedröhnt. Der Funke dieser Vorfreude könnte leicht auf uns überspringen, aber eine befremdende, sommerliche Wärme, die wiederum normal für Mexiko ist, wirkt blockierend. Es gibt viel grün, ein süßer Blumenduft liegt in der Luft und die Menschen geizen nicht mit ihren körperlichen Reizen.
Lachend stelle ich fest:“ Das ist Weihnachten im Sommer. Die müssen hier einen sexy Weihnachtsmann haben.“…

…An Heiligabend ist es ungewöhnlich ruhig in den Nachbarzimmern unseres Hotels. Schienen noch in allen voran gegangenen Nächten wahre Orgien statt zu finden, so verharrt diese in Stille. In dieser Nacht wird gebetet und weniger dem Fortpflanzungstrieb zügelloser Freilauf gewährt. Die, seit vielen hundert Jahren geleistete Missionierung zeigt Erfolge.

Die Feiertage sind vorüber und mit ihnen versinken die Kolonialstädte Durango und Zacatecas in die Schublade der netten Erinnerungen.
Es ist der 4. Januar 2005. Wir befinden uns 15 Kilometer vor San Felipe (Mexiko) und warten auf die schützende Abenddämmerung um das Zelt aufbauen zu können.
Der Platz befindet sich auf einem der sanft geschwungenen Hügel. Er bietet freien Blick zu dem benachbarten Gebirgszug. Bis in weite Ferne verlierend sieht man teils durch Steinmauern, teils durch Stacheldraht eingezäunte Weideflächen. In Senken und in künstlich angelegten Staubecken steht noch etwas Wasser. Die meisten sind bereits ausgetrocknet. Am gegenüber liegenden Hang treibt ein Bauer seine Herde zur Tränke.
Dann ist es soweit. Die Sonne verschwindet mit einem feurigen Szenario hinterm Horizont. Routinemäßig wird das Lager hergerichtet, der Kocher in Betrieb genommen und schon bald dampfen die Spagetti im Wasser.
Gesättigt, zufrieden mit dem Tag kriechen wir in unser Stoffhaus. Bald sagt mir das gleichmäßige Schnarchen… Mewes schläft! Bewunderung meinerseits! Durch die Dämmung der Kopfhörer in meinen Ohren höre ich ferne Schüsse. Nichts ungewöhnliches in diesem Landstrich, aber sie lassen mich nicht einschlafen.
Brandgeruch steigt in meine Nase- auch normal,denn den ganzen Tag sahen wir angezündete, verdorrte Wiesen brennen. Ein Brauch, der früher bei uns ebenso üblich war, um das trockene, verfilzte Gras zu beseitigen.
Der Brandgeruch wird intensiver, begleitet von einem Knistern. Meine Alarmglocken klingen! Ich schlüpfe nach draußen…. Der Himmel ist orange- rot. Fette Rauchschwaden ziehen darüber.
,,Scheiße! F E U E R !“ ,, Mewes- es brennt!“
Schlagartig ist er wach und stürzt aus dem Zelt.
,, Ich schau mich mal um – warte hier!“
Die Minuten scheinen endlos bis er atemlos zurückkommt.
,, Gut 200 Meter von hier, auf der anderen Straßenseite frisst sich eine Feuerwand die Böschung herauf. Der Wind bläst parallel zur Strass, also nicht direkt in unsere Richtung. Wir packen alles soweit zusammen, beobachten das Geschehen und warten erst mal ab. Notfalls flüchten wir zum Bauernhof dort unten. “
Angespannt, harren wir aus. Nichts passiert. Nach Stunden des ungeduldigen Wartens, wollen wir Gewissheit über das Fortschreiten des Brandes und schleichen zur Gefahrenquelle. Glück gehabt, das Feuer ist vorbei gelodert. Vor uns liegt ein verkohlter Hang.
Die restliche Nacht taucht in unruhigen Schlaf.

Kilometerstand: 10700
Wetter: am Tag – sonnig, 25-30 Grad Celsius
in der Nacht – 4-10 Grad Celsius

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